2. Der Traum - Teil 2
Am nächsten Tag traf sich der Rat, der aus dem Truchsess, seinen Söhnen, den höchsten Würdenträgern und den Hauptleuten von Minas Tirith bestand. Nachdem die Brüder von ihrem Traum erzählt hatten, sagte Denethor:
"Es sind rätselhafte Worte mit unklarer Bedeutung. Von Imladris wissen wir ungefähr, wo es liegen mag und auch über das geborstene Schwert hat Faramir schon Mutmaßungen angestellt. Doch wir wissen nicht, was Isildurs Fluch ist und auch über Halblinge wissen wir fast nichts."
"Verzeiht, Herr", warf Hirgon, der Befehlshaber der Reiter, ein, "aber ich habe schon von Halblingen gehört. In Rohan gibt es eine Sage von kleinen Leuten, die nicht größer werden als unsere Kinder."
"Ja, das stimmt", bestätigte Boromir. "Holbytlan werden sie, glaube ich, in der Sprache der Rohirrim genannt. Die Sagen von Rohan mögen gut dafür sein, Kindern die Zeit zu vertreiben oder sie zu erschrecken. Man denke nur an die Schauergeschichten von laufenden Bäumen im Wald von Fangorn", fügte er lachend hinzu. "Doch uns helfen solche Ammenmärchen nicht weiter."
"Die Worte aus dem Traum enthalten immerhin eine klare Aufforderung, nach Imladris zu gehen", sagte Húrin, der Herr der Schlüssel. "Die Antworten auf unsere Fragen mag es dort geben – und vielleicht noch mehr: Hilfe in unserem Kampf."
"Das meine ich auch", pflichtete Faramir ihm bei. "Daher schlage ich vor, Imladris zu suchen. Unsere Bedrängnis ist groß, uns hilft jeder Beistand, den wir bekommen können."
"Ich weiß nicht recht", wandte Denethor ein. "Elronds Macht beruht auf Weisheit, nicht auf Waffen. Was meinst du, Boromir?"
"Faramir hat Recht", antwortete Boromir. "Der Angriff vor einer Woche war gewiss nur ein Vorgeschmack des Krieges, den der Namenlose entfesseln wird. Wenn der Feind mit aller Stärke zuschlägt, vermögen wir ihn vielleicht nicht einmal mit der Hilfe der Rohirrim abzuwehren. Wir können jede Hilfe gebrauchen. Auch Ratschläge, die stärker sein sollen als die Macht von Morgul, wie es in dem Traum heißt."
"So sei es", sagte Denethor. "Und wer wird gehen und Imladris suchen?"
"Ich werde gehen", antwortete Faramir. "Die Aufforderung, nach Imladris zu gehen, ging an mich."
"Verzeih, Bruder", sagte Boromir. "Aber ich habe den Traum auch geträumt. Die Aufforderung ging auch an mich. Ich werde gehen!"
"Ich habe den Traum vor dir geträumt", entgegnete Faramir. "Und nicht nur einmal, sondern mittlerweile viermal! Ich denke, dass ich gehen sollte."
"Meine Söhne!" sagte Denethor entschieden. "Ich kann euch nicht beide gleichzeitig entbehren. Nur einer von euch darf gehen!"
"Dann gehe ich mit meinem Vorrecht als der Ältere", rief Boromir.
"Der Ältere und Kühnere", sagte Faramir mit einem spöttischen Unterton.
"Ich kann den Herren Faramir gut verstehen", warf Húrin ein. "Wollt Ihr auf Euer Vorrecht bestehen, Herr Boromir?"
"Ja, das will ich!" rief Boromir halsstarrig.
"Ich denke immer noch, dass es besser wäre, wenn ich gehe", sagte Faramir ruhig, "doch die Entscheidung darüber obliegt dem Herrn von Gondor."
"Es sei", seufzte Denethor missmutig. "Dann entscheide ich, dass Boromir nach Imladris gehen soll. Die Versammlung ist beendet!"
Nach der Versammlung sprach Faramir seinen Bruder nicht ohne Ärger an:
"Boromir, warum hast du dich vorgedrängt? Zweifelst du an meinem Mut oder an meinen Fähigkeiten?"
"Faramir, ich zweifle nicht an dir. Doch dieser Weg ist schwierig und gefährlich. Diese Aufgabe erfordert einen Mann, der erfahren und weit gereist ist. Und ich bin so ein Mann. Du hingegen warst noch nicht einmal in Rohan. Ich als der Ältere wollte dir eine gefährliche und ungewisse Reise ersparen."
"Dann danke ich dir dafür", sagte Faramir ein wenig besänftigt, doch in seiner Stimme schwang Ironie mit. "Gleichwohl denke ich, dass ich als Soldat und Waldläufer erfahren genug bin, um auf den Schutz meines großen Bruders verzichten zu können. Überdies wäre ich auch gerne nach Rohan gereist."
"Die Gelegenheit dazu wird sich sicher noch ergeben", sagte Boromir. "Außerdem wirst du noch manche Gelegenheit haben, dich als Heermeister zu bewähren, während ich fort bin."
Gondor hilft Westeros
"Ich würde dieses Ding nicht nehmen, und wenn ich es auf der Straße fände."- Heermeister von Gondor - Vorleser des Roten Buches - Zitatewerfer der krassen Herde - Facebook-Verweigerer
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